Mal-Aue

Jan Kolata – malen
eine Ausstellung im Museum Ratingen 24.2. – 18.6.2023

Klaus-Peter Busse

Blick auf die Wandbilder in der Ausstellung (Foto: Verfasser)

Nichts als Farbe und Malerei: Man ist überwältigt, wenn man die Ausstellung des Düsseldorfer Malers Jan Kolata im Museum in Ratingen betritt. Seine Gemälde haben einen gewaltigen Effekt: Sie dokumentieren die Lust des Künstlers am Malen. Kolata und das Museum haben ein Farb-Ballett arrangiert und in eine Bildchoreografie übersetzt.

Jan Kolata, ehemaliger Professor für Malerei an der TU Dortmund und geschätzter Begleiter vieler junger Menschen, die er für die Kunst begeistert hat, ist Meisterschüler der Kunstakademie Düsseldorf, Träger vieler internationaler Gastprofessuren und ein Künstler, der seit Jahrzehnten malerische Positionen entwickelt. Früher fuhr er mit seinem Maler-Moped durch die niederrheinische Landschaft und arbeitete vor Ort: Auf seinem Zweirad hatte er alles montiert, was er zum Malen brauchte. Heute arbeitet er in seinem Atelier an Leinwänden, die auf dem Boden liegen. Auf sie schüttet er Farbe und vertreibt sie mit großen Geräten, wischt sie auf und findet immer wieder neue Formen der Übermalung. Diese Übermalungen sind Schichtungen von Farben, aber Kolata löst sie wieder auf, wenn er Farbschichten aufsaugt. Das, was er macht, beschreibt ein Lexikon dessen, was Malerei letztlich ist: eine Folge und ein Spiel von Handlungen, die im Umgang mit Farbe möglich sind. Auch das ist eine Aufgabe für die Wahrnehmung seiner Werke: zu sehen und zu entdecken, wie diese Gemälde entstanden sind. Seine Malapparate müssen Besen, Bürsten und Rakel sein: Werkzeuge, wie man sie von Reinigungswagen kennt – Kunststoffwannen, Schrubber und Pressen.

Jan Kolata, 190.190.2022.08 und 190.190.2018.22 (Foto: Verfasser)

Besonders anschaulich wird diese Arbeitsweise an dem Bild 190.190.2018.15, das auf der Einladungskarte und auf dem Katalogumschlag abgebildet ist (vgl. https://jankolata.de): Die ersten beiden Zahlengruppen geben die Bildgröße an, die dritte Gruppe das Entstehungsjahr und die vierte den Standort des Bildes in der Reihenfolge der in diesem Jahr entstandenen Gemälde. Dieses Bild zeigt eine gelbe Fläche, die mit Acrylfarbe auf der Grundierung aufgetragen wurde. Nach der Trocknung hat Kolata diese Malschicht mit brauner Farbe übermalt, offensichtlich mit einer breiten Bürste, die Schlieren hinterlässt. Mit einem Schabinstrument sind eine kreisrunde Fläche und zwei Lineaturen abgezogen worden, so dass der gelbe Grund wieder hervortritt und das Bildmotiv bildet. Spuren dieser Abtragung finden sich am unteren Rand der großen runden Fläche, wo die braune Farbe verdichtet angetrocknet ist. Mit dieser Sehhilfe kann man beinahe alle Gemälde wahrnehmen.

Betrachtet man Kolatas Bilder nicht aus der Perspektive ihrer Entstehung und ihres Materials, zeigt sich schnell, worum es ihm als Denker geht. Kolata Bilderwelt bewegt sich in einer kunsthistorischen Tradition, die der französische Kunsthistoriker Hubert Damisch markiert hat. Sie ist „die Vorstellung vom Bild nicht mehr als Fenster oder als Rahmen, sondern als das Feld und Korrelat einer Operation, als … das Bedürfnis zu handeln.” Das Gemälde bildet nicht mehr Wirklichkeit ab. Es wird zu einem Möglichkeitsfeld von Handlungen im Umgang mit den Mitteln der Malerei: Leinwand, Farbe, Wasser, Hand und Körper. Das kann so weit gehen, dass das Gemälde nur noch darstellt, wie es entsteht. Aber Kolatas Malerei geht noch weiter. Der amerikanische Schriftsteller John Crowe Ransom schrieb in den 1930er-Jahren, dass sich „Bilder ihre uranfängliche Frische nicht nehmen lassen“:„The image cannot be dispossessed of a primordial freshness, which ideas never can claim.” Dies meint die Vorsprachlichkeit des Gemäldes, für die es keine Sprache gibt. Es ist die Befreiung von allen Konventionen. Beides spürt man in der Betrachtung von Kolatas Bilderwelt, vor allem in den Wandbildern, die er nur für diese Ausstellung gemalt hat: eine raumfüllende Arbeit, wie man sie schon in seinen letzten Präsentationen sah.

Jan Kolata, 190.270.2022.05 (Ausschnitt, Foto: Verfasser)

Jan Kolata hat sich während seiner Zeit als Hochschullehrer über Malerei geäußert, und es lohnt sich, ihm zuzuhören: „Im Vorgang des Malens, etymologisch abkünftig von Flecken machen, lebt die frühe Lust am Schmieren, Verschmieren und Beschmieren. Man kann mit allem malen, was klebt, von dick-klebrig über dünn-flüssig bis sprüh-neblig. Die fordernde Lust, mit diesem Stoff etwas zu machen, ist Urknall und Motor für Malerei. Malerei okkupiert Fläche und wandelt diese zu Figur, Raum, Bild und Bilderzählung. Malerei macht Dreck und entsteht aus Dreck. Als Kind malen mit Bratensoße und Kartoffelpüree, mit Mayonnaise und Ketchup. Erwachsene Maler heißen dann „Malschweine“ (Lovis Corinth, Max Liebermann). Gemalt wird mit Malstoff, pulverige Stoffe in Bindemittel und zu homogener Substanz vermischt. Damit lassen sich Flecken auf allem machen, was Fläche dafür bietet. Großflächiges Applizieren und kleinteiliges Klecksen, Kleckse wiederholen zu Mustern, auf Hauswänden, Innen wie Außen, auf dem eigenen Körper. Fleckformen entstehen, die sich von der Restfläche unterscheiden und diese bemalen. Das Muttermal, das Wundmal, der Zeugungsvorgang als Beflecken – die unbefleckte Empfängnis, die mit Ochsenblut bemalten Türstöcke der Israeliten – das Kainsmal. Immer geht es um eine entscheidende, mitunter auch gefährliche Bedeutungswandlung bis hin zur Wesensänderung des Bemalten durch das Gemalte.“ Kleckse und Flecken: Die Malerei hat bei Jan Kolata eine anthropologische Dimension, ähnlich der Deutung der Linie in der Zeichnung durch den Philosophen Manfred Sommer, die er im Ackerbau und in der frühgeschichtlichen Weberei sieht.

Blick auf ein Wandbild in der Ausstellung (Foto: Verfasser)

Als Geheimnis von Kolatas Malerei bleibt die Frage, wann die Malarbeit beendet ist, wann also ein Bild fertig ist, oder ob ein Bild sogar anders aussehen könnte, vielleicht eine Fortsetzung hätte. Dies sind künstlerische Entscheidungen. Malen als Prozess bedeutet auch, ein neues Bild anzufangen und das Spiel weiter zu treiben. So sind Kolatas Bilder Teile einer noch nicht absehbaren Serie. Sie verändern sich wie eine Auenlandschaft, die durch eindringendes Wasser ihre Oberfläche verändert, mitgeschwämmtes Material ablagert und unvorhersehbare Strukturen entwickelt. Kolatas Bilder sind Malauen.

Betrachtet man im Vergleich die Bilder von Josef Albers, die zur Zeit im Quadrat in Bottrop zu sehen sind, ist Kolatas Ausstellung vollkommen antipodisch. Dort sieht man die Werke einer geplanten Malerei, hier in Ratingen trifft man Bilder, die im Prozess entstehen, mit dem Zufall arbeiten und spontane Reaktionen des Malers dokumentieren.

Ein hervorragend gestalteter Katalog begleitet die Ausstellung. Seine Abbildungen gehen über die ausgestellten Werke hinaus und machen anschaulich, in welcher Breite Kolatas Malerei angelegt ist.

Die Ausstellung geht bis zum 18.6.2023

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ruth Weber

    Wunderbarer Artikel zu Jans Ausstellung ! Mit Lust in der „Mal-Aue“ herumstreifen! Danke Klaus-Peter!

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